Liebe Leser,
wären Sie gerne nochmal 16? Moment, ich muss präziser fragen: Wären Sie
heute gern nochmal 16? In diesem Jahr, in dieser Lage, in der wir uns befinden – und falls Ihre Antwort »Ja« lautet, wäre das auch vor drei, vier Wochen so gewesen, als die Corona-Lage noch weniger hoffnungsvoll wirkte und das Wetter schlechter war?
Dass ich die Frage gerade heute stelle, hat einen doppelten Anlass. Sie hängt eng mit unserem heutigen Thema des Tages zusammen, einer Recherche meines Kollegen Oskar Piegsa zu einer anderen, durchaus verwandten Frage: Wenn Kinder und Jugendliche die Bevölkerungsgruppe sind, die am meisten unter den Folgen der Pandemie zu leiden haben – wie können ältere Alterskohorten ihnen in Hamburg am sinnvollsten dabei helfen, das zu schaffen, was zuletzt nicht möglich war: unbeschwert jung zu sein? Wobei es, natürlich, »die« Kinder und Jugendlichen gar nicht gibt – was es heißt, jung zu sein, unterscheidet sich nicht nur von Stadtteil zu Stadtteil, sondern letztlich von Haushalt zu Haushalt.
Eine Passage aus Oskar Piegsas Text hat sich mir beim Lesen besonders ins Gedächtnis gegraben. »Wenn sich Erwachsene an ihre Jugend erinnern«, schreibt er, es geht da gerade um die Frage, wie sich versäumter Schulstoff nachholen lässt, »denken sie selten als Erstes an den Mathe- und Deutschunterricht. Und oft an das, worauf Kinder und Jugendliche in den vergangenen Monaten verzichten mussten: an die ersten Partys. Daran, abends um die Häuser zu ziehen, Mädchen kennenzulernen oder Jungs. An den Abnabelungsprozess von den Eltern. An die Herausforderung, unter Gleichaltrigen die eigene Rolle zu finden. Daran, auch mal Scheiße gebaut zu haben. Oder: unbeschwert zu spielen. Die prägenden Lernerfahrungen werden nicht nur in der Schule gemacht.«
Der zweite Anlass der Frage ist ein rein praktischer: Wir haben sie gestern Abend zu stellen vergessen. Zusammen mit den »Freunden der ZEIT« haben wir gestern unsere 100.000 Newsletter-Abonnentinnen und -Abonnenten gefeiert, vielleicht waren Sie ja dabei. Wir haben eine Menge Fragen beantwortet, die Sie uns gestellt haben – und wir haben auch Ihnen Fragen gestellt: Annika Lasarzik zu sozialen Themen, Marc Widmann zu Themen aus Politik und Wirtschaft, Oskar Piegsa zu Schule und Bildung und ich zu Kultur. Und weil es natürlich, wie immer an schönen Abenden, viel mehr zu besprechen gab als gedacht, haben wir ausgerechnet diese eine Frage nicht mehr untergebracht (und gerade die fand ich besonders gut). Aber glücklicherweise gibt es ja diesen Newsletter. Darum frage ich Sie einfach jetzt: Wären Sie heute gern nochmal 16? Schreiben Sie uns doch eine Mail mit einer kleinen Begründung an die Adresse
hamburg@zeit.de, und sollten Sie jetzt gerade 16 sein, schreiben Sie uns bitte auch – und verraten uns, ob – und warum – Sie jetzt gerade lieber nicht 16 wären.
Ich bin überzeugt, die Frage enthält noch mehr politische Sprengkraft als der Streit um die Parkgebühren.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Ihr
Florian Zinnecker