Olympische Spiele – wieso klagen Pariser Gastronomen und Hotelbesitzer über schlechte Geschäfte?
Ukrainekrieg – weshalb gibt es im russisch besetzten Donbass vielerorts kein sauberes Leitungswasser?
Gefangenenaustausch – wie lief der Deal um den von Moskau nun freigelassenen US-Reporter Evan Gershkovich?
1. Während der Spiele kommen viele Millionen Besucher nach Paris – aber die sind eher sparsam
Zu Hause bei den eigenen Lieben und in der Stadt Paris – das seien »die zwei Orte auf der Welt, wo der Mensch glücklich sein kann«, hat Ernest Hemingway behauptet. Hemingway war im Hauptberuf Schriftsteller, ist als Werbetexter für Frankreichs Hauptstadt aber bis heute kaum zu toppen und also mitverantwortlich dafür, dass jedes Jahr Menschen aus aller Welt nach Paris reisen möchten. Paris sei die »Stadt des Lichts« kitscht es derzeit aus dem Mund von Fernsehkommentatoren, die »Stadt der Liebe« ist es sowieso, und, wie Hemingway schrieb, »ein Fest fürs Leben«.
Blick vom Eiffelturm auf das Eiffelturm-Stadion: Das Megaereignis hat die gewöhnlichen und recht ausgabefreudigen Paris-Touristen verschreckt
Sina Schuldt / dpa
In diesem Sommer allerdings ist den Gastronomen von Paris nicht nach Party zumute, berichtet heute mein Kollege Leo Klimm (S+). Wegen der Olympischen Spiele leiden Hotel- und Restaurantbetreiber.
Das Megaereignis hat die gewöhnlichen und in der Regel ausgabefreudigen Paris-Touristen so verschreckt, dass die Umsätze der Gastronomie um angeblich rund 40 Prozent eingebrochen sind. »Ausgerechnet die erfolgsverwöhnte Pariser Tourismusbranche erlebt ein Fiasko durch die Olympischen und Paralympischen Spiele«, schreibt Leo.
Für die Sportwettbewerbe werden insgesamt mehr als 15 Millionen Besucher in der Hauptstadtregion erwartet (alle Entwicklungen im Newsblog hier ). Nur leider seien viele der Besucherinnen und Besucher Franzosen, klagt der Verbandschef der Gastronomen. »Diese Menschen lassen kaum Geld da. Die spazieren mit Picknick zu den Wettkämpfen und übernachten bei Freunden oder Verwandten.« Sollten Sie also drüber nachdenken, spontan für ein paar Tage nach Paris zu reisen? Die Hotelpreise jedenfalls sind offenbar jetzt eher günstig.
Auf dem Spielfeld der Ökonomie gehe es im Grunde zu wie im Sport, findet mein Kollege. Hier wie dort »sind die Sieger und Verlierer nicht immer jene, die man erwartet hätte«.
2. In der Region Donezk gibt es kein sauberes Wasser, weil das zentrale Versorgungssystem beschädigt ist
Die »Volksrepubliken des Donbass« hätten sein Land »um Hilfe gebeten«, hat Russlands Präsident Wladimir Putin zu Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 behauptet. Heute berichtet meine Kollegin Ann-Dorit Boy, dass viele Menschen im von russischen Truppen besetzten Donbass seit zweieinhalb Jahren keinen regelmäßigen Zugang mehr zu sauberem Leitungswasser haben. Einige von ihnen haben demnach nun aus Protest eine Straße blockiert (S+).
Eine verschwommene Videoaufnahme zeigt die protestierenden Anwohner in Donezk: Der Kragen geplatzt
Kirovsky Tut Donetsk / Telegram
Ein paar Dutzend Anwohner, darunter viele ältere Frauen, haben sich am vergangenen Mittwoch am Westrand der Stadt Donezk auf einen Zebrastreifen gestellt und eine breite Straße blockiert. Sie forderten von der russischen Verwaltung sauberes fließendes Wasser, wenigstens für ein paar Stunden am Tag. »Der kleine Straßenprotest in der Großstadt Donezk erregte Aufsehen«, schreibt Ann-Dorit. »Seit dem Einmarsch der Russen im Jahr 2022 ist das Wasser vor allem im besetzten Gebiet von Donezk zu einem humanitären Dauerproblem geworden.«
In Donezk ist das zentrale Wassersystem seit Anfang 2022 beschädigt, Leitungswasser ist zwar mitunter für wenige Stunden am Tag verfügbar, aber nach Auskunft eines Experten nicht zum Trinken geeignet.
Der Wassernotstand trifft unter anderem Bewohner von Hochhäusern, die Wasser aus dem Keller ihrer Häuser in ihre Wohnungen schleppen müssen und in Telegram-Kanälen klagen: »Wir leben wie Obdachlose aus Kübeln.«
3. Der US-Reporter Gershkovich kommt frei – wohl, weil auch der Berliner »Tiergartenmörder« Teil eines Deals mit Russland ist
Die Schilderung des Gefangenenaustauschs , der heute nach monatelangen Verhandlungen zwischen Washington, Berlin und Moskau stattgefunden hat, klingt so, dass sich kinobegeisterte Menschen wie ich sofort an Politthriller aus dem Kalten Krieg erinnert fühlen. Gegen Mittag starteten sowohl in Russland als auch in Deutschland Maschinen in Richtung Ankara, und dort war für den Nachmittag ein in Geheimgesprächen vorbereiteter Austausch angekündigt. In der Maschine aus Moskau befand sich der US-Journalist Evan Gershkovich, der seit 2023 wegen angeblicher Spionage in Russland in Haft sitzt (S+).
US-Reporter Evan Gershkovich
Natalia Kolesnikova / AFP
In einem Flieger, der aus Deutschland kam, befand sich der sogenannte Tiergartenmörder Vadim Krasikov, der in Deutschland wegen eines Auftragsmords in Haft saß. Neben den beiden prominenten Figuren sollten in Ankara noch weitere russische Agenten und Hacker gegen deutsche Staatsbürger und russische Oppositionelle ausgetauscht werden, die dort in Haft saßen. Ebenso freikommen sollte der US-Bürger Paul Whelan, der seit Jahren in Russland inhaftiert war.
Gershkovich war am 19. Juli wegen »Spionage« zu 16 Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt worden. Der Prozess gegen den 32-Jährigen hatte nur etwas mehr als drei Wochen gedauert. Die Inhaftierung des US-Reporters im März nannte meine Kollegin Christina Hebel »eine Warnung an westliche Korrespondenten in Russland, sich zurückzuhalten, vor allem, was Recherchen über die russischen Streitkräfte und die Rüstungsindustrie angeht.«
Israel meldet Tod von Mohammed Deif: Er galt als einer der Planer des Massakers vom 7. Oktober 2023. Sechs Wochen nach einem Angriff im Gazastreifen hat die israelische Armee den Hamas-Kommandeur Mohammed Deif jetzt für tot erklärt.
Autoklub ruft »Staustufe Rot« aus: Auf den Straßen soll es am Wochenende voll werden. Die Automobilklubs warnen vor langen Staus und verraten, auf welchen Autobahnen es zu besonders langen Wartezeiten kommen könnte.
Venedig begrenzt Reisegruppen auf 25 Personen: Die Lagunenstadt kämpft gegen den Massentourismus und setzt bei Reisegruppen an. Auch andere Urlaubsziele in Italien kämpfen mit neuen Mitteln gegen Überfüllung.
Meine Lieblingsmeldung heute: Sycamore Gap in Nordengland
Der Stumpf des Robin-Hood-Baums wurde eingezäunt, um die jungen Triebe zu schützen
Jason Lock / National Trust
Wenn die Natur sich mal stärker zeigt als der Zerstörungswahn der Menschen, ist das von einer schönen, vielleicht trügerischen Symbolik. Nachdem zwei Männer im vergangenen Herbst Nordenglands vielleicht bekanntestes Wahrzeichen, einen Ahornbaum im berühmten Sycamore Gap, umgelegt hatten, wurden nun an seinem Stumpf Ableger entdeckt. Insgesamt habe man acht neue Triebe gezählt, teilte die britische Organisation National Trust mit, die sich um den Standort kümmert. Man habe »Hoffnung, dass der Baum weiterlebt«. Der National-Trust-Generaldirektor Andrew Poad gab sich überrascht: »Nach nur zehn Monaten Lebenszeichen zu sehen, ist erstaunlich.«
Der Solarboom überfordert Deutschlands Stromnetze: Monatelang müssen manche auf einen Anschluss warten: Die Deutschen investieren wie verrückt in Solaranlagen, doch die Stromnetze kommen nicht mit. Wo die Energiewende wirklich stockt (S+).
Der umstrittenste Kampf der Spiele dauert 46 Sekunden: Imane Khelif wurde im Vorjahr von der WM ausgeschlossen, weil sie einen Geschlechtstest nicht bestanden hatte. Bei Olympia ist sie dabei, ihre Gegnerin hatte keine Chance. Vieles an dem Fall ist unklar – und der Ärger groß. (S+)
Als ich erfuhr, dass der böse Blick auf mir liegt: Leon Shankara bekämpft Flüche und böse Blicke, zu seinen Kunden zählen Prominente und TV-Sternchen. Unsere Reporterin ist zu ihm nach Mallorca gereist, um sich von ihm spirituell untersuchen zu lassen. Mit Erfolg? (S+)
Was heute weniger wichtig ist
Veilchenrätselraten:Sharon Stone, 66, Hollywoodschauspielerin, hat sich während eines Türkeiurlaubs offenbar ein blaues Auge eingehandelt. Mit einem Foto, das sie auf Instagram teilte, sorgte sie für zahlreiche Nachfragen. Sie äußerte sich nicht zu den Ursachen der Verletzung und kommentierte ihr blutunterlaufenes Auge so: »Diese Reise war hart, aber ich bin härter.«
Mini-Hohlspiegel
Aus der »Stuttgarter Zeitung«: »Am Sonntag haben Oscars im Meer südlich von Spanien ein 15-Meter-Boot zum Kentern gebracht.«
Szene aus »Shahid«: »Diese Männer und ihre Geschichten sind mir scheißegal«
Schmidbauer-Film
Könnten Sie sich den Kinofilm »Shahid« ansehen, in dem eine Frau, die in jungen Jahren aus Iran nach Deutschland geflohen ist, eigentlich einfach nur ihren Familiennamen loswerden will. Man sieht sie im Film der Regisseurin Narges Kalhor unter anderem bei Terminen in einem bayerischen Kreisverwaltungsreferat, während Sitzungen bei einem hilflosen Therapeuten – und im Zwist mit Gespenstererscheinungen. Eine davon ist ihr Urgroßvater, ein Mullah. Mein Kollege Florian Kappelsberger lobt die Surrealität des Films und den Humor der banalen Alltäglichkeit (S+). »Shahid« sei »ein enorm vielschichtiger Film«, der die Frage stelle: »Wie umgehen mit den Geistern der Vergangenheit, die immer wieder das Heute heimsuchen?«
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Herzlich Ihr Wolfgang Höbel, Autor im Kulturressort
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