Trump braucht Cash – verkauft der Präsidentschaftskandidat nun sein Tafelsilber?
Schüsse in München – was plante der Schütze?
1. Die Kassandra von Lübeck
VW-Werk in Wolfsburg (Montage): Krise lange übersehen
[M] Bernd Feil / M.i.S / picture alliance
Der deutsche Dreiklang: Hört sich das für Sie eher nach Dichter, Denker und Mondscheinsonate an? Nach Bild, Glotze und Currywurst, dem Gerhard-Schröderschen »Kraftriegel der Facharbeiter«? Vielleicht ist die deutsche Dreifaltigkeit auch: Auto von VW, Telefon von der Telekom, Konto bei der Sparkasse. Die Insignien der Mittelschicht. Immerhin: Die Aktien der Telekom sind auf einem 20-Jahre-Hoch. Tröstet jeden, der gerade in der Hotline-Warteschlange steckt, weil es mit dem Umzug nicht geklappt hat oder das WLAN wackelt, nur bedingt. Die Sparkassen erhöhen reihenweise die Kontogebühren und vertrauen auf die urgermanische Nibelungentreue ihrer Kunden.
Aber alles nichts gegen VW: Dort drohen Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen, Tausende Jobs sind gefährdet, selbst das heilige Stammwerk in Wolfsburg scheint nicht mehr sicher. Die Krise ist offenbar so tief wie, huch, überraschend: »Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos«, klagt Finanzchef Arno Antlitz. Tja, wer hätte das ahnen können?
Grünenvorsitzender Habeck (2019): Kassandra aus Lübeck
Peter Endig/DPA
Zum Beispiel Robert Habeck. Der prophezeite 2019, damals noch in der grünen Opposition: »Wenn Sie 2025 kein E-Mobil für unter 20.000 Euro anbieten, dann werden Sie – so fürchte ich – im Markt scheitern.« Seine Weissagung von damals geht jetzt viral, was Habeck, die Kassandra von Lübeck, sicher mit ein wenig Genugtuung registriert hat. Aber, back to business, es ist schließlich ernst, die VW-Misere will gelöst werden, zu wichtig ist der Autokonzern für die Republik, um ihm beim Siechen zuzuschauen, auch Kanzler Scholz hat sich inzwischen eingeschaltet. Zu spät? »Die Ampelkoalition ist zu einem Standortrisiko geworden«, urteilt mein Kollege Christian Reiermann (S+) in seinem Leitartikel. »Kaum eine Woche vergeht, ohne dass Unternehmen den Abbau von Arbeitsplätzen verkünden.« Und die Ampel findet kein Rezept, so Christian. Selbst den Wirtschafts-Auskennern von der FDP fällt nicht viel mehr ein, als sich eisern an die Schuldenbremse zu klammern. Was ein wenig an VW erinnert: Klebte der Konzern vielleicht ein wenig zu lange am Verbrenner, hat er zu lange gewartet mit dem entschlossenen E-Umbau?
Zaudern, zögern, zweifeln. Vielleicht ist er das, der wahre deutsche Dreiklang.
Lesen Sie hier, worin Christian noch eine Chance für die Wirtschaftspolitik der Ampel sieht.
2. T wie Trash
Veranstaltung mit Donald Trump Ende August: Ab dem 25. September könnte der Präsidenschaftskandidat seine Aktien an Trump Media, die Muttergesellschaft seines Truth-Social-Kanals, verkaufen
Morry Gash / AP
Die Turnschuhe sind, natürlich, golden. Und sehen in etwa so stylish aus wie der Sommerbart von Markus Söder. Aber hey, die Sneaker mit der Amerikaflagge sind schließlich eher ein politisches Statement als Mode: Trump first! Zusammen mit Fankärtchen und einem Fetzen des Anzuges, den der Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner beim TV-Duell gegen Joe Biden getragen hat, kostet das Power-Paket nur 1485 Dollar, Inlandsversand gratis. Teuer? Schon. Aber für Trump-Verhältnisse eine regelrechte Ramschaktion: »In seinem Imperium herrscht Sommerschlussverkauf«, schreibt meine Kollegin Ines Zöttl (S+). Offenbar braucht der Kandidat dringend Cash: Am 5. November wird gewählt, Kamala Harris liegt in den Umfragen vorn, Trump droht die Niederlage. Wer will schon Sneaker von einem Loser?
Und auch an der Börse sieht es nicht gut aus für den Mann mit dem großen T im Logo: Trump Media verliert kontinuierlich an Wert, weniger als 17 Dollar ist die Aktie wert, Rekordtief seit dem Börsengang vor drei Jahren. Wird Trump jetzt Anteile verkaufen? Immerhin besitzt er 115 Millionen Aktien. Macht noch immer knapp zwei Milliarden Dollar. Aber eben nur auf dem Papier – bisher: »Wenn der Hauptaktionär seine Anteile losschlägt, könnten die Börsianer das als Signal verstehen, dass er selbst nicht mehr an sein Unternehmen glaubt«, so Ines. Na, haben Sie jetzt auch einen kleinen, maliziösen Tagtraum? »Zu verkaufen«-Schilder vor Mar-a-Lago, Trump, wie er in abgelaufenen goldenen Sneakern Immobilien-Interessenten durch das Anwesen führt: »Beautiful house, the best house, to be honest, much better than the white one in Washington«. Hach.
Für wie wahrscheinlich Experten den großen Ausverkauf halten und was das für Trump politisch bedeuten würde, lesen Sie hier (S+).
3. Schüsse mit dem Repetierer
Israelisches Generalkonsulat in München
Peter Kneffel / dpa
Und plötzlich wird die Münchner Innenstadt zum Tatort: Mit aufgepflanztem Bajonett auf dem Repetiergewehr hat ein Mann dort heute Morgen Schüsse abgegeben. In der Nähe des israelischen Generalkonsulats. Fünf Polizisten erwiderten das Feuer und erschossen den 18-Jährigen. Ausgerechnet München, ausgerechnet heute, am 5. September: Vor 52 Jahren hatten palästinensische Terroristen im Olympischen Dorf zwei Männer getötet und neun israelische Geiseln genommen. Ein Zufall?
Bayerns Innenminister Herrmann schließt jedenfalls nicht aus, dass es ein Anschlagsversuch gewesen sein könnte. Der mutmaßliche Attentäter kam aus Österreich, mit dem Auto war er nach München gefahren. Er soll Sicherheitsbehörden bereits als Islamist bekannt gewesen sein. So wurde offenbar gegen ihn ermittelt, weil er islamistische Propaganda verbreitet hatte, das Verfahren wurde jedoch eingestellt.
»Keine zwei Wochen nach dem Attentat von Solingen hat offenbar erneut ein Terrorist zugeschlagen«, schreibt mir mein Kollege Jörg Diehl . Er recherchiert mit einem SPIEGEL-Team in Sicherheitskreisen zu dem Fall. Was das Motiv des Mannes war, ist noch nicht klar – aber die Schüsse in der Münchner Innenstadt zeigen einmal mehr, wie verwundbar wir sind. »Gerade Einzeltäter, die spontan losschlagen, sind für die Sicherheitsbehörden ein Albtraum: Ihre Taten sind eigentlich kaum zu verhindern. In diesem Fall aber hat die Münchner Polizei wohl noch das Schlimmste verhindern können.«
Zwei Ponys, keine Freunde und vor der Tür Flugabwehrsysteme: Sie sollen völlig abgeschirmt leben und fast nur mit Erwachsenen spielen: Erstmals werden Details über Wladimir Putins mutmaßliche Söhne bekannt. Das Investigativportal »Dossier« hat einen Bericht über die Kinder verfasst.
Ehemalige Wirecard-Vorstände sollen 140 Millionen Euro plus Zinsen zahlen: Der Wirecard-Insolvenzverwalter hat mit seiner Klage gegen Ex-Vorstände der Skandalfirma Erfolg. Ein Gericht verdonnerte sie zu einer neunstelligen Zahlung. Dennoch dürfte der Streit weitergehen.
Merz besucht Erdoğan: Oppositionsführer als Außenpolitiker: Friedrich Merz will nach SPIEGEL-Informationen noch in diesem Monat in die Türkei reisen. Auf dem Programm steht auch ein Treffen mit dem türkischen Präsidenten.
RTL räumt Fehler bei Frage zu Taylor Swift ein: Günther Jauch hat einer Kandidatin eine Frage ohne richtige Antwortmöglichkeit gestellt. Die Frau bekommt nun eine neue Chance: RTL war nämlich einer Falschinfo aufgesessen.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
Sie machen die Drecksarbeit für die Mullahs: Das Regime in Teheran rekrutiert nach SPIEGEL-Recherchen systematisch Kriminelle in Europa, um Attentate auf Juden und Israelis zu verüben. In Deutschland spähte ein Verdächtiger Ziele aus (S+).
Menschen auf der »Bayesian« sind nicht ertrunken, sondern erstickt: Wie die Luxusjacht »Bayesian« vor Sizilien sank, wirft viele Fragen auf. Warum ging sie so schnell unter? Inzwischen liegen Autopsieberichte über die Opfer vor. Sie geben eine überraschende Antwort. (S+)
»Mir ging es um den Beruf, nicht um ein Studium«: Seit 2020 benötigen Hebammen ein Studium statt eine Ausbildung. Jule Lewerenz gehörte zum ersten Hochschuljahrgang in Hamburg. Wie sie den Übergang erlebt hat und welche Geburt sie nie vergessen wird (S+).
Die wahre Größe des 2,46-Meter-Manns: Morteza Mehrzad ist einer der größten Menschen der Erde und der dominierende Sitzvolleyballer seiner Generation. Der Sport ermöglichte ihm ein neues Leben, die Aufmerksamkeit aber ist ihm zuwider (S+).
Was heute weniger wichtig ist
Naomi Campbell, Chefredakteurin Wintour: Ein sehr pünktlicher Mensch
Dimitrios Kambouris / Getty Images
Wir haben doch keine Zeit:Anna Wintour, 74, »Vogue«-Chefin und Mode-Diva, pflegt eine, nun ja, sehr preußische Tugend: die Pünktlichkeit. Bei der Verleihung des »Fashion Icon Award« in New York sollte Wintour Supermodel Naomi Campbell auszeichnen. »Ich bin ein sehr pünktlicher Mensch, und ich habe die Ehre, heute Abend jemandem den Preis zu überreichen, der oft zu spät kommt« , rüffelte Wintour. Die Pointe der Mini-Fehde: Noch vor der eigentlichen Verleihung war Wintour dann schon wieder weg. Buchstäblich überpünktlich.
Mini-Hohlspiegel
Aus der »Lindauer Zeitung«: »Ältere Zeitungsleser wissen: Der Schriftsatz ist auf Johannes Guttenberg zurückzuführen, der um 1445 den Buchdruck mit beweglichen und wiederverwendbaren Lettern in Europa erfand.«
Schauspielerin Anderson: »Ich wäre den Fantasien gern auf den Grund gegangen«
Simon Emmett / Guardian / eyevine / laif
Liebe, liebe Sonne: Na, heute Abend müssen Sie natürlich raus, Balkon, Park, Wald, was auch immer Sie an Grün gerade zur Hand haben. Links ein Glas Wein, rechts vielleicht »Want: Sexuelle Fantasien der Frauen im 21. Jahrhundert«, das neue Buch von Gillian Anderson. Genau, das ist die latent distanzlose Mutter von Otis in der Netflix-Serie »Sex Education«. Meine Kollegin Laura Backes hat sie in London getroffen – und es gibt gute Nachrichten: »Offenbar gibt es heute viel mehr Orgasmen«, sagt Anderson in dem Interview. Für das Buch hat sie Menschen auf der ganzen Welt dazu aufgerufen, geheime sexuelle Fantasien zu teilen, anonym. Was dabei herausgekommen ist, lesen Sie hier. (S+)
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