Heute geht es um die Eskalation im Nahen Osten, den Wahlsieg der FPÖ in Österreich und die Folgen, Friedrich Merz' Abrechnung mit Grünen und FDP sowie die Sondierungen für eine Koalition in Thüringen.
Bodenoffensive gegen die Hisbollah?
Es gibt ein paar journalistische Floskeln, die sind so abgegriffen, dass sie die Dramatik ihrer Aussage verblassen lassen. Dass sich eine Lage weiter zuspitzt, das ist so ein Satz, solch eine Floskel. Nur leider muss ich hier jetzt schreiben: Die Lage im Nahen Osten spitzt sich weiter zu. Weil es so ist.
Getöteter Hisbollah-Anführer Nasrallah (im Juni 2006): »Zeugen eines historischen Wendepunkts«
Wael Hamzeh / EPA
Es scheint, als setze Israel auf den großen Befreiungsschlag gegen seine Todfeinde. Gegen die Hamas im Gazastreifen, gegen die Hisbollah im Libanon, auch gegen die Huthi-Miliz im Jemen.
Nach der Tötung von Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah und anderen Führungskadern der Terrororganisation hat die israelische Luftwaffe am Wochenende Ziele im Libanon bombardiert. Die Hisbollah ihrerseits feuert weiterhin Raketen auf den Norden Israels. Am Sonntag attackierte Israel aus der Luft Stellungen der proiranischen Huthi-Miliz im Jemen, die am Tag zuvor eine Rakete auf den Flughafen von Tel Aviv geschossen haben soll.
»Wir sind Zeugen eines historischen Wendepunkts«, hat Israels Premier Benjamin Netanyahu gesagt. Ein Team um meinen Kollegen Maximilian Popp deutet dies und Weiteres in einer lesenswerten Übersicht der unübersichtlichen Lage so: »Die Äußerungen hochrangiger Militärs lassen vermuten, dass die Armee mit Bodentruppen in den Libanon einrücken wird.« Im Libanon selbst beginnt heute eine dreitägige Staatstrauer für den Terroristen und Massenmörder Nasrallah.
Der Blick rüber nach Österreich kann mitunter bedrückend sein. Da haben gestern die Braunen, Pardon: die Blauen die Parlamentswahl gewonnen – mit Rekordergebnis sind sie erstmals die Nummer eins. Kanzlerkandidat Herbert Kickl erreichte mit seiner FPÖ rund 29 Prozent. So stark war selbst Jörg Haider nie.
FPÖ-Chef Kickl: »Nicht die Brandbeschleuniger an die Spitze der Regierung setzen«
Lisa Leutner / REUTERS
Allerdings will offenbar niemand mit der extremen Rechten regieren. Die zweitplatzierten Christsozialen von der ÖVP kamen auf 26,5 Prozent. Sie hatten in der jüngeren Vergangenheit mehrfach mit Rechtsaußen koaliert.
Der Unterschied zu früher ist nun der: Kickl will nicht Juniorpartner sein, sondern Kanzler werden. Dass weder ÖVP noch SPÖ (21,1 Prozent) auf Bundesebene stärkste Partei sind, das hat es in der Geschichte von Nachkriegsösterreich überhaupt noch nicht gegeben. Grünenchef Werner Kogler gestand zu, dass nicht alles gut laufe im Land und deutete die Protestwähler der FPÖ als »Brandmelder«. Dann ließ er diesen schönen Satz folgen: »Deshalb muss man aber nicht die Brandbeschleuniger an die Spitze der Regierung setzen.«
Zuletzt regierte im Mutterland der Großen Koalitionen ein schwarz-grünes Bündnis. Das war reichlich kaputt am Schluss, etwa so wie unsere Ampel, was nun wahrscheinlich die Grünen (8 Prozent) mit dem Machtverlust bezahlen werden.
Nicht aber die Schwarzen, Pardon: die Türkisen, denn der bisherige Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer könnte nun versuchen, entweder eine klitzekleine Große Koalition mit der SPÖ zu schließen, die über eine hauchdünne Mehrheit verfügte. Oder er wählt das Modell Deutschlandkoalition: ÖVP plus SPÖ plus liberale Neos (9 Prozent). (Eigentlich ist das ein türkis-rot-pinkes Bündnis, ich weiß, und das sind alles schöne Farben, aber das mit Deutschland ist doch hier auch ein bisschen witzig).
Ginge natürlich arithmetisch auch mit den Grünen, eine solche Dreierkonstellation, aber... siehe oben.
Die deutschen Grünen haben sich nach den drei Landtagswahlen im Osten in den Staub geworfen, viel Selbstkritik, Vorsitzende weg, quasi Bitte um Vergebung. Und was macht die Union? Erhört deren Kanzlerkandidat Friedrich Merz die Grünen, vergibt er und macht sie (wieder) zu einem potenziellen Koalitionspartner?
Lassen Sie ihn kurz nachdenken...
Nein.
»Aus heutiger Sicht würde ich sagen, es geht nicht«, stellte Merz gerade auf dem Parteitag der NRW-CDU fest.
CDU-Chef Merz: »Es geht nicht«
Guido Kirchner / dpa
Nur: Was sollen die Grünen noch machen? Neben dem heutigen Kongress ihrer Bundestagsfraktion unter dem so poetischen Titel »Mut macht Zukunft« könnten sie Spenden für den Bau eines strahlenden Atomkraftwerks im schönen Sauerland sammeln, Merz würde ihnen noch immer die kalte Schulter zeigen.
Warum ist das so? Weil Abgrenzung von den Grünen derzeit so gut beim Wähler funktioniert wie vor ein paar Jahren Anbiederung. Mein Kollege Jonas Schaible hat noch ein paar weitere Gründe zusammengetragen, ich verlinke Ihnen das unten.
Es sind übrigens mitnichten allein die Grünen, denen Friedrich Merz in diesen Tagen das Herz bricht. Seinem alten Freund Christian Lindner, zu dessen Sylter Hochzeit er sich und seine Gattin einst in der eigenen österreichischen Propellermaschine pilotierte, schickte er gerade schöne Grüße via Mail-Newsletter: Die FDP halte sich »an nichts mehr, was die Ampelparteien vor knapp drei Jahren gemeinsam vereinbart haben«. Sie blockiere, sie widerspreche. Schaden mit der Ampel, so schreibt Merz, nehme »nicht nur das ganze Land. Schaden nimmt auch unsere Demokratie«.
Offensichtlich glaubt Merz, dass er in einem Jahr weder auf die Grünen noch auf die FDP angewiesen sein wird. Looking at you, SPD. Der Mann träumt offenbar von der GroKo.
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... ist das BSW. Gerade mal vor neun Monaten gegründet, seitdem ins Europaparlament und drei Landesparlamente eingezogen, sondieren die Vertreter der Wagenknecht-Truppe ab heute in Thüringen eine Regierungsbeteiligung mit CDU und SPD.
Thüringens BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf:
Martin Schutt / dpa
Besondere Herausforderung: Selbst wenn sich die drei Parteien auf ein Bündnis einigen können, fehlt ihnen im Landtag noch immer eine Stimme zur Mehrheit.
Thüringer Verhältnisse eben, unkompliziert geht nicht.
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