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Kein US-Rap für die Emirate

Weil die Vereinigten Arabischen Emirate den Krieg im Sudan anheizen, hat US-Rapper Macklemore ein Konzert in dem Golfstaat abgesagt. Das trifft den Herrscher empfindlich.

Eine Kolumne von Andrea Böhm

Schon mal was von Macklemore gehört? Blöde Frage. Jedenfalls für alle Hip-Hop-Fans. Macklemore, mit bürgerlichem Namen Benjamin Hammond Haggerty, hat Mitte der 2010er-Jahre zusammen mit Ryan Lewis mehrere Superhits gelandet (Can't Hold Us, Thrift Shop), vier Grammys eingesammelt, mit Barack Obama einen Film gegen die Opioidkrise produziert.

Seit einigen Jahren ist er erfolgreich solo unterwegs, hat eine globale Fangemeinde und sollte im Oktober in Dubai auftreten. Sollte. Ende August sagte Macklemore die Show ab. Er gebe keine Konzerte mehr in den Vereinigten Arabischen Emiraten, erklärte der Rapper, solange der Golfstaat im Sudan die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) unterstützten. "Die Krise im Sudan ist katastrophal", schrieb Macklemore auf seinem Instagram-Account. Mehrere ausländische Akteure würden den Krieg anheizen, aber "die Rolle der VAE als Finanzier der RSF ist ein ausschlaggebender Faktor". Er wolle keinen seiner Kollegen verurteilen, der in dem Golfstaat auftrete, schrieb Macklemore. "Doch ich frage alle, die demnächst in Dubai eine Show geben sollen: Wenn wir unsere Plattformen nutzen würden, um für kollektive Befreiung zu mobilisieren, was könnten wir nicht alles erreichen?"

Das ist mal eine Ansage. Nach über 500 Tagen des weltweit verheerendsten Krieges macht endlich ein internationaler Star den Mund auf. Macklemore stellt den schlimmsten regionalen Brandstifter bloß: Den kleinen, unendlich reichen Golfstaat, der seit einigen Jahren von Ostafrika als seinem geostrategischen Hinterhof träumt.

Die Hauptstadt – eine Ruinenlandschaft

Seit Kriegsbeginn im Sudan im April 2023 unterstützen die VAE die paramilitärischen RSF unter ihrem Führer Mohammed Daglo, genannt Hemedti, mit Geld, Waffen und offenbar auch eigenen Militärs. Vor allem dank dieser Hilfe haben die RSF ihren Gegner, die sudanesische Armee (SAF) unter deren Oberbefehlshaber Abdel Fattah Burhan, in weiten Teilen des Landes in die Defensive getrieben.

Die Folgen dieses Machtkampfes zwischen Armee und Paramilitärs für die Zivilbevölkerung werden in den Medien – nicht nur den westlichen, sondern auch denen in Afrika und im Nahen Osten – weitgehend ignoriert. Von den rund 50 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen sind zehn Millionen vertrieben worden. Die Zahl der Getöteten wird auf bis zu 150.000 geschätzt. Beide Seiten begehen Kriegsverbrechen. Die Hauptstadt Khartum ist eine Ruinenlandschaft. In der westlichen Region Darfur verüben überwiegend arabischstämmige RSF-Kämpfer ethnische Säuberungen, wenn nicht gar einen Genozid, an schwarzafrikanischen Bevölkerungsgruppen.

Auch wenn Macklemore bislang allein dasteht und sich (noch) keine Boykottbewegung gegen die VAE abzeichnet: Seine Absage trifft den Herrscher Mohammed bin Sajed an einem empfindlichen Punkt. MBZ, wie er auch genannt wird, legt großen Wert auf das Image der VAE als apolitischen Luxusvergnügungspark mit Formel-1-Rennen, Konzertevents, internationalen Großereignissen wie zuletzt der UN-Klimakonferenz und ökologischen Vorzeigeprojekten.

Macklemores Absage ärgert die Dynastie des Emirs auch deswegen, weil nun die Rap-Fans unter ihren Untertanen auf den Sudan aufmerksam geworden sind. Und damit auch auf die Rolle der VAE in diesem Krieg. Der frisst sich immer weiter durch das ostafrikanische Land. Vor wenigen Tagen endete ein Vermittlungsversuch des US-Gesandten für den Sudan, Tom Perriello, in Genf ergebnislos. Vertreter der SAF waren gar nicht erst erschienen. Danach sicherten zwar beide Seiten mehr Kooperation bei der Verteilung von Hilfsgütern zu. Doch die humanitäre Lage verschlechtert sich weiter.

China und Russland liefern Waffen

Auf Satellitenbildern sind inzwischen nicht nur Massengräber zu erkennen, sondern auch zahlreiche Feuer: Farmen und Felder, werden vor allem von RSF-Kämpfern zuerst geplündert, dann angezündet. Das niederländische Clingendael Institute, das seit Jahren zum Sudan forscht, hatte in einer Analyse der im Krieg zerstörten Saatgutbanken, Erntevorräte und Äcker prognostiziert, dass bis Ende dieses Jahres 2,5 Millionen Menschen an den Folgen des bereits grassierenden Hungers sterben könnten.

Vor wenigen Wochen kam es in mehreren sudanesischen Bundesstaaten wegen heftiger Regenfälle zu massiven Überflutungen. Ein Dammbruch gefährdet im Osten die Wasserversorgung von Port Sudan, der Hafenstadt am Roten Meer. Dorthin haben sich die SAF-Führung, aber auch Zehntausende Zivilisten geflüchtet.

Nein, die VAE sind nicht der einzige ausländische Staat, der diesen Krieg anheizt. In einem aktuellen Report hat Amnesty International dokumentiert, wie der Sudan zu einem globalen Magneten für Waffenlieferanten geworden ist. Scharfschützengewehre, Drohnen, gepanzerte Fahrzeuge, Munition, Mörsergranaten aus China, Russland, der Türkei, dem Iran, Serbien kommen zum Einsatz. Teilweise werden sie direkt an eine der beiden Kriegsparteien geliefert, teilweise aus anderen Konfliktgebieten wie dem Jemen in den Sudan weiterverkauft.

Aber kein ausländischer Staat hat sich so sehr mit einer Kriegspartei verwoben wie die Vereinigten Arabischen Emirate mit Hemedti und seinen Rapid Support Forces. Warum?

Die VAE sind seit Jahren dabei, ihre Wirtschaft zu diversifizieren und ihren regionalen Einfluss auszubauen: Weg vom Gas- und Ölexport hin zu einem Geschäfts-, Finanz- und Transportimperium. Der Zugang zum Hafen von Port Sudan, derzeit noch unter Kontrolle der SAF, steht ganz oben auf der Prioritätenliste.

Die VAE sind außerdem ein globaler Umschlagplatz für den legalen wie illegalen Goldhandel. Ein Großteil des Edelmetalls kommt aus dem Sudan, wo die ertragreichsten Vorkommen von den RSF überwacht werden. Hemedti ist schon seit Jahren ein enger und gern gesehener Geschäftspartner in den VAE mit seinem Businessnetzwerk aus Bauunternehmen, Dienstleistungsfirmen und bewaffneten Kräften, die er während des Jemenkrieges schon an die VAE vermietet hatte. Er repräsentiert den Typus eines ideologiefreien, skrupellosen Gewaltunternehmers, mit dem die Emirate ihren Einfluss in der Region ausweiten möchten. Von einer "Söldnerlogik auf dem politischen Markt" sprechen Sudanexperten.

Nach dieser Logik geht der Krieg weiter, bis der Gegner – in diesem Fall die Führung der SAF – militärisch so geschwächt ist, dass er sich selbst auf die Gehaltsliste der VAE setzen und ihnen als Gegenleistung zum Beispiel den Zugang zum Hafen von Port Sudan gewährt.

Ob dieses Kalkül aufgehen wird, sei dahingestellt. Bislang hindert jedenfalls keiner die VAE daran, es zu verfolgen. Die UN spielen nur noch die Rolle des humanitären Helfers – und das mehr schlecht als recht. Die USA und die EU-Staaten scheuen sich, größeren Druck auf MBZ auszuüben, weil sie glauben, ihn als politischen Akteur und Geldgeber in Nahost zu brauchen. Saudi-Arabien missfällt zwar die Expansion des kleinen Nachbarn, will ihm bislang aber nicht wirklich in den Arm fallen.

Die einzige Option für die Millionen Sudanesinnen und Sudanesen: Ihre eigene, schier übermenschliche Überlebensfähigkeit, die sie derzeit mit lokalen Suppenküchen und Nothilfezentren im ganzen Land unter Beweis stellen. Und der öffentliche Druck durch Prominente wie Macklemore.

Der gibt auf Instagram ehrlich zu, dass er nicht von selbst drauf gekommen ist, sein Konzert in Dubai abzusagen. Der Rapper war zuletzt mit seinem Song Hind's Hall über ein getötetes palästinensisches Mädchen zu einer Galionsfigur der US-amerikanischen Protestbewegung gegen den Gazakrieg geworden. Immer wieder, so schreibt er, hätten ihn sudanesische Aktivisten angesprochen, sich endlich auch zum derzeit schlimmsten Krieg der Welt zu äußern. "Ich folge dem Vorbild der sudanesischen Organisatoren und Aktivisten, die versuchen, Gehör zu finden."

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Wir sind Fünf vor acht

Fünf vor acht ist die Morgenkolumne von ZEIT ONLINE. An jedem Werktag kommentieren abwechselnd unter anderem Michael Thumann, Petra Pinzler und Matthias Naß sowie Heike Buchter, Andrea Böhm, Lenz Jacobsen und Mark Schieritz.

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