CDU-Parteitag – wie reagiert die Parteibasis auf Merz’ Tabubruch?
Bundestagswahlkampf – wie ticken die Kandidierenden?
Gaza – wie geht der Journalist Wael al-Dahdouh damit um, dass er im Krieg seine halbe Familie verloren hat?
1. Keine laute Kritik
Heute Mittag ist der CDU-Parteitag in Berlin gestartet. Vor vielen Wochen wurde er als »Krönungszeremonie« geplant: Friedrich Merz sollte offiziell zum Unionskanzlerkandidaten gekürt werden, ein »Sofortprogramm« für die ersten Wochen nach der Wahl beschlossen werden, fertig.
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz: Mobilisiert die Massen
Robert Michael / dpa
Dann kam Aschaffenburg, Merz’ Vorstoß in der Migrationsdebatte, ein gescheitertes »Zustrombegrenzungsgesetz« und am Wochenende Demos in vielen großen Städten gegen die CDU/CSU und ihre Zusammenarbeit mit der AfD. Da stellt sich natürlich die Frage: Steigen die Zweifel in der Partei, ob Merz’ Vorgehen richtig war? Ist die Union vielleicht nicht mehr so geeint wie sonst? Kommt es auf dem Parteitag womöglich zum Eklat?
Mein Kollege Jonas Schaible hat sich im Vorhinein umgehört. Er glaubt nicht, dass Merz heute auf offener Bühne laut kritisiert wird. Im Gegenteil: »Je härter die Kritik, desto fester schließen sich die Reihen«, so hätten ihm mehrere Christdemokraten die Stimmung beschrieben. »Mehr und mehr erscheint der zunächst auch intern umstrittene Asylrechtsvorstoß im Bundestag als richtige Entscheidung«, schreibt Jonas (S+). »Mehr und mehr wird in der Erzählung der Union sie selbst zum Opfer.«
Dass er mit seiner Prognose richtig liegt, darauf deuten die ersten Redebeiträge hin. »Wir dürfen der AfD unser Land nicht überlassen. Die Linke ist kein Schutzwall dagegen, das sind wir, Friedrich«, sagte etwa der bayerische Ministerpräsident Markus Söder.
Als ich gestern durch die Hamburger Innenstadt fuhr, kam ich an gefühlt 1000 Wahlplakaten vorbei; an jeder einzelnen Straßenlaterne machten entweder SPD oder FDP (CDU und Grüne waren zumindest auf meiner Strecke stark unterrepräsentiert) Werbung mit relativ nichtssagenden Sprüchen wie »Die Blume macht’s« (über die FDP-Kandidatin Katarina Blume) oder »Wir sorgen für gutes Klima« (SPD). Dabei bemerkte ich, dass ich in diesen bewegten Zeiten zwar unglaublich viel über Politik spreche und nachdenke, es dabei aber ausschließlich um Spitzenkandidaten der Parteien geht.
Wahlplakate zur Bundestagswahl 2025, hier in Stuttgart
Arnulf Hettrich / imageBROKER / picture alliance
Wer in meinem eigenen Wahlkreis antritt, geschweige denn wofür er oder sie steht, weiß ich gar nicht so genau. Nicht die beste Voraussetzung für die Bundestagswahl in knapp drei Wochen. Um diese Wissenslücke zu schließen, gibt es ab jetzt den Kandidatencheck von Abgeordnetenwatch.
Die Plattform hat eine Reihe von politischen Thesen formuliert und die 2570 Direktkandidaten für die Bundestagswahl nach ihren entsprechenden Positionen gefragt. Sie können den Thesen selbst zustimmen, sie ablehnen oder neutral bleiben: Am Ende sehen Sie, mit welchem Kandidaten aus Ihrem Wahlkreis Sie die meisten Übereinstimmungen haben.
Seit dem 19. Januar schon hält die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen, aber noch immer dürfen ausländische Reporter nicht von vor Ort berichten. Das heißt, alles, was aus dem Kriegsgebiet dringt, kommt von einheimischen Journalisten. Sie sind zugleich Berichterstatter und Betroffene.
Wael al-Dahdouh in Doha: Gedanklich noch in Gaza
Heath Holden / DER SPIEGEL
So wie Wael al-Dahdouh, 54. Der Reporter berichtete live für den TV-Sender Al Jazeera, während seine halbe Familie durch israelische Bomben getötet wurde. Seine Frau Amna, sein Sohn Mahmoud, 16, seine Tochter Sham, 7, sein Enkelkind Adam, 18 Monate, starben am 25. Oktober 2023 bei einem israelischen Luftangriff auf ihr Wohnhaus in Nuseirat. Die Welt sah zu, als er den reglosen Körper seines Enkelkinds im Krankenhaus umschlang. Noch in der Presseweste hielt er das Totengebet.
Wenige Wochen später wurde sein ältester Sohn Hamza, 27, bei einem israelischen Angriff getötet. Es war nicht der Verlust seiner Familie, der ihn berühmt machte. Es war seine Reaktion auf den Verlust.
Meine Kollegin Dunja Ramadan hat ihn einmal in Berlin und einmal im katarischen Doha besucht, wo er aktuell mit fünf seiner noch lebenden Kinder lebt. Dahdouh wurde selbst am Arm schwer verletzt und unter anderem in Deutschland behandelt. Dennoch will er eines Tages zurück nach Gaza. Dunja hat Dahdouh gefragt, wie er es schafft, nach seinen großen Verlusten weiterzuleben (S+) . Wael al-Dahdouh antwortete mit einem Wort: »Rida«, eine islamische Lebensweisheit, schwerste Schicksalsschläge wohlwollend anzunehmen, im Vertrauen auf eine göttliche Fügung dahinter. »Und: Geduld«. Er sei so geduldig, dass selbst die Geduld von ihm erschöpft sei, schrieb ein arabischer Publizist.
Fast 2,35 Millionen Euro – AfD meldet größte Spende der Parteigeschichte: Kurz vor der Bundestagswahl gibt es eine neue massive Finanzspritze für die AfD. Dieses Mal kommt die Zuwendung von einem ehemaligen FPÖ-Funktionär aus Österreich. Auch der Verwendungszweck ist offenbar festgelegt.
Kryptowährungen bis zu 20 Prozent runter, kanadischer Dollar auf Rekordtief, Dax im Minus: Der von Donald Trump angefachte Zollstreit hat massive Auswirkungen an den Börsen. Der kanadische Dollar rutscht auf ein 22-Jahres-Tief. Auch für Kryptowährungen und die Aktien deutscher Autokonzerne geht es abwärts.
Schulen auf Santorini schließen, Flüge und Fähren Richtung Festland sind voll: Auf Santorini bebt die Erde fast ununterbrochen, das Hauptbeben steht Seismologen zufolge womöglich noch bevor. Viele verlassen die Vulkaninsel, das Auswärtige Amt aktualisiert seine Reisehinweise für die Region.
Mein Lieblingsformat heute:
DER SPIEGEL
Heute Abend gibt es einen sogenannten SPIEGEL Deep Dive, der die Frage aufwirft: Gehen wir im Rückwärtsgang in die Zukunft? Politökonomin Maja Göpel und die stellvertretende Chefredakteurin des SPIEGEL, Melanie Amann, diskutieren über den Wahlkampf und beantworten live Ihre Fragen zur Wirtschaft und Transformation in Deutschland. Schalten Sie sich einfach um 20 Uhr hier dazu.
Wie eine KI einen Reporter zum Verbrecher machte: Martin Bernklau berichtete als Journalist über Verfahren gegen Geiselnehmer, Gefangene, Kinderschänder. Dann fand er heraus: Eine KI von Microsoft behauptet, er sei der Täter (S+).
Wer ist Bianca Censori, die Frau an der Seite von Kanye West? Bianca Censori trägt gern gewagte Outfits. Mit ihrem Auftritt bei den Grammys treibt sie es nun auf die Spitze. Steckt dahinter Lust an Provokation – oder die Machtfantasie ihres Mannes? (S+)
Was heute weniger wichtig ist
Prinzessin Kate trifft Mitarbeiterinnen eines Textilherstellers in Südwales
Rebecca Naden / PA / AP / dpa
Keine Äußerlichkeiten mehr: Prinzessin Kate, 43, ist laut einem Bericht von »The Sunday Times« frustriert darüber, dass oft mehr über ihre Garderobe als über ihre inhaltliche Arbeit berichtet wird. Deshalb soll der Kensingtonpalast die Namen der Kleidermarken, die Kate trägt, in Zukunft nicht mehr nennen. Eine Einschränkung gibt es der Zeitung zufolge aber doch: Bei »wichtigen offiziellen Anlässen und Veranstaltungen der königlichen Familie« könnten weiterhin Details ihrer Kleidung und ihres Schmucks veröffentlicht werden.
Mini-Hohlspiegel
Von n-tv.de: »Knapp 45 der Ukrainer sagen, dass sie Donald Trump vertrauen, ein Höchstwert in Europa.«
Beyoncé im Dezember 2024 in Houston: Details zur neuen Tournee fehlen bisher
David J. Phillip / AP / dpa
Hören Sie doch noch mal das letzte Album von Beyoncé, »Cowboy Carter«. Damit hat die Sängerin nämlich gestern Abend bei der Verleihung der Grammys, der wichtigsten Musikpreise, Geschichte geschrieben – obwohl sie in acht der elf Kategorien, in denen sie nominiert war, verloren hat. Aber dass »Cowboy Carter« ausgerechnet den Preis für das beste Countryalbum gewonnen hat, sei »ein Signal an den konservativen Teil der Szene in Nashville und die Countryradios, die das Album nicht spielen wollten«, schreibt mein Kollege Jurek Skrobala. Auch den Preis für das beste Album bekommt sie zum ersten Mal. Übrigens hat Beyoncé gestern auch angekündigt, wieder auf Tour zu gehen. Es bleibt aber spannend, denn Termine oder Orte hat sie nicht genannt.
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